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Kolumne: Zurück zum Fußball!

4-4-2: Das Spielsystem der Zukunft?

Von Fabrizio D'Agostino

FIFA-Chef Josef Blatter ist ein intelligenter Mann. Mehrmals hat er betont, dass Fußball Spektakel sein muss. Dies unterstreichen auch die letzten Anpassungen des Regelwerks. Drei Punkte für den Sieger, Rote Karte für eine Notbremse, Rote Karte für ein Foul von hinten, Zuspiel zum Torhüter nicht erlaubt, Gelbe Karte bei Zeitspiel etc. 

Den Fußball will man somit schneller, flüssiger, offensiver und attraktiver machen. Die FIFA verfolgt somit ein klares Ziel: Die offensiv spielenden Mannschaften sollen belohnt werden. Fußball soll einfach mehr Spektakel sein. Es sollen mehr Tore fallen.

Ich frage mich: "Die neuen Regeln werden laufend zum Vorteil für die offensiv spielenden Mannschaften angepasst. Wieso will das (noch fast) keiner ausnutzen?" 

Es ist zu vermeiden, dass ein "Spitzenspiel" vor 60.000 Zuschauer, mit einer enttäuschenden, von Taktik geprägten, defensiven "Null-Nummer" endet. Wo der Zuschauer sich langweilt und der Reporter die taktische Einstellung beider Teams lobt. Oder, dass RAN die Bundesligaspiele mit "nebensächlichen" Details aufpeppen muss, damit nach drei Einstellungen nicht schon Pause ist. 

Dies kann und darf sich der Fußball nicht erlauben. 

Auch die horrenden Einnahmen durch Fernsehrechte und tägliche Livespiele können den Fußball nicht verschönern. Fußball lebt nun mal von Toren und der Ambiance in der Arena. Es gibt nur ein Rezept: 

Spektakel und Gooooooooooooooooooooooals !

Darum fordere ich: "Zurück zum Fußball"!

Die Geschichte des 4-4-2

Leider werden die neusten Entwicklungen der Spielsysteme noch von vielen Verantwortlichen ignoriert. Auch Vereine mit internationaler Klasse sind sich heute nicht zu Schade, mit acht Spielern 30 Meter vor dem Strafraum die Räume dicht zu machen und auf drei Konter zu vertrauen. Früher nannte man das Catenaccio; heute "clever gespielt". 

Über 85% der Klubvereine und Nationalmannschaften praktizieren ein starres 
4-4-2, das meiner Meinung nach, viele negative Elemente beinhaltet und beträchtliche Grenzen aufweist. Gemessen an der Popularität sollte es doch das modernste und meist entwickelte Spielsystem sein. Weit gefehlt. In Wirklichkeit ist es schon ziemlich veraltet und überholt. Es wurde erstmals von den Brasilianern (mit Pelé) an der 1970 WM in Mexiko gespielt und später von den Holländern weiterentwickelt. Vor allem in der Zonendeckung, die ich auch befürworte. Es ist starr und bedeutet vor allem Verteidigen mit Doppelungen vor dem Strafraum. 

Die offensiven Defizite und Grenzen des 4-4-2

Das 4-4-2 bilden vier in einer Linie spielende Verteidiger, vier Mittelfeldspieler und nur zwei Stürmer, die versuchen, in jeden sich bietenden Raum zu stoßen. Die zwei Stürmer stehen meist zentral und eng zusammen, um für die heraneilenden Außen-Verteidigern und Außen -Mittelfeldspielern die Korridore freizulassen. Demzufolge greifen auf jeder Seite immer zwei Stürmer gegen vier Verteidiger an (Gähn). Es ist meistens ein Kinderspiel, die zwei Stürmer in Schach zu halten (Einer stört den Ballführenden, drei sichern ab). Es wundert daher nicht, dass die Standardsituationen immer lebensnotwendiger werden. Die Offensivarbeit der fehlenden Flügelstürmer wird wie in einer Art Rotation abwechselnd von Außen -Mittelfeldspielern und Außen-Verteidigern verrichtet. Dieses kann sehr wohl dynamisch und positionsübergreifend sein, aber leicht zu Abstimmungsproblemen zwischen den einzelnen Spielern oder Blöcken führen. Oft sind auch athletische Spieler, die für dieses System "geschaffen" sind, nicht in der Lage, den Rhythmus über die ganze Distanz zu halten. Dieses führt zwangsläufig zu einschläfernden Phasen und Ballbesitz des Gegners. 

Das Aufrücken der Mittelfeldspieler und der Außenverteidiger benötigt viel Luft und Zeit und ist relativ berechenbar. Hat man sich endlich mal außen durchgespielt, endet der Angriff mit zahlreichen aber monotonen Flanken in den Strafraum. Da eine Spitze meistens schon als Bande fungiert hat, findet man im Strafraum als "Vollstrecker" nur einen Stürmer, der gegen drei bis vier Verteidiger auf eine geniale Flanke hoffen muss.

Für die Mittelfeldspieler wird bei der Aktion die Distanz zum Strafraum (Schutzheiliger der Stürmer) zu groß. Kein Wunder, dass sich seit einigen Jahren reine Kopfballspieler auch in Spitzenteams einen Stammplatz erarbeiten können. Man verzichtet auf einen gepflegten Spielaufbau und sucht das Glück mit hohen Bällen in den Strafraum. 

Der Grundsatz "safety first" oder "zuerst kein's kriegen” scheint mir heutzutage veraltet. Ich muss gestehen, dass man auch mit einem 4-4-2 attraktiven Angriffsfußball spielen kann. Manchester United gilt aber als Ausnahme. Sie spielen mit zwei "getarnten" Stürmer im Außen-Mittelfeld und Kurzpass-Spielaufbau über viele Stationen, um sämtliche Spieler als Block in die gegnerische Spielhälfte zu "verpflanzen". 

Zwei Stürmer, vielfach gar nur einer, sind selten genug um einen kollektiven Angriff zu tätigen. Somit ist man bei jedem Abpraller im Angriff in Unterzahl. Dafür scheinen mir vier (bis sechs) Mittelfeldspieler mehr als genug. Dies führt zu übervölkertem Mittelfeld und einem Spiel in 30 Meter Länge mit wenig Überraschungen und Spektakel. Das Fehlen von mindestens einem Flügelstürmer zwingt die Außen-Mittelfeldspieler und Außenverteidiger ein enormes Laufpensum zu verrichten und selber die 1:1-Situationen zu suchen; sprich eine Überzahlsituation herauszuholen. Der Angriff ist vielfach ausschließlich auf das Konterspiel ausgerichtet. Dieses führt zu vorsichtigem Spiel, Taktieren und Langeweile. Ich hasse die "wer den ersten Fehler macht verliert" Spiele. 

Echte Stürmer braucht das Land

Was mir aber am meisten Sorgen macht, ist dass die echten Stürmer oder Flügelspieler langsam von der Bildfläche verschwinden. Der heutige Stürmer muss sich anbieten und hat meistens einen Gegner im Rücken. Er wird zur Drehscheibe und Bande, sprich Mittelfeldspieler. Immer weniger sehen wir einen Stürmer mit dem Ball in der Vorwärtsbewegung. Die Ausnahme bilden die zwei bis drei Konter pro Spiel. Das Dribbling wird fast schon gemieden. Die Stürmer von früher, die drei Verteidiger in einer Telefonkabine austanzen konnten, sind eine vom Aussterben bedrohte Gattung. Wir haben leider keine Straßenfußballer mehr, hört man schon aus vielen Ecken. Wenn man aber einem Neunjährigen schon konsequent einhämmert, er solle weniger dribbeln und mehr laufen, tja dann... 

Man züchtet im heutigen Industriefußball zwei Meter Hünen , die 100 Meter in elf Sekunden laufen und beim Dribbling als erstes den Ellbogen ausfahren (Sorry Jancker & Co). 

Trend : Mit drei Stürmern angreifen und mit zwei Stürmern verteidigen

Einige Mannschaft spielen schon heute mit drei Stürmern. Einem Mittelstürmer und zwei etwas zurückgezogenen Flügelstürmer. Die Flügelstürmer haben mehr Platz und können mit einem Dribbling hinter die Abwehr gelangen. Da die beiden Flügelspieler weit auseinander stehen, wird das Netz der Viererkette auch in die Breite gezogen. Die Verteidiger sind weiter von ihren Mannschaftskollegen entfernt und können sich weniger gut und schnell aushelfen (absichern oder doppeln). Durch diagonales Laufen der Angreifer kann man nun die entstandenen Freiräume nutzen . Bei Ballverlust schaltet die Mannschaft schnell in ein kompaktes 4-4-2 um. Bei Balleroberung geht man schnell wieder in ein 3-4-3 oder 4-3-3 über. Die Champions League hat bewiesen dass vor allem die erfolgreichen Mannschaften vom starren 4-4-2 weggekommen sind.

Die Lust zum Sieg soll größer sein,  als die Angst zu verlieren.

Angriff ist die beste Verteidigung und somit zurück zum Fußball, den jeder Spieler, Trainer, Fan, Klubverantwortlicher, Sponsor und hoffentlich auch Du, sehen, spielen und leben möchte. 

(Ich hoffe auch, wenn mal ein Spiel verloren geht.)

Fabrizio D’Agostino